Paris, Wien, Berlin, Brüssel, Madrid: Zahlreiche Städte Europas haben
in der Coronakrise Sofortmassnahmen ergriffen, um dem Velo
mehr Platz auf der Strasse einzuräumen. Auch Schweizer Gemeinden können mit einfachen und kostengünstigen
Massnahmen reagieren.
Europas Städte ermöglichen sicheres Velofahren
Die Liste der Städte, die während der Corona-Krise im Frühling 2020 dem «Velo-Boom» gefolgt sind, ist lang. Viele Städte reagierten auf den Lockdown mit provisorischen Radwegen: In Berlin errichtete die Regierung eine Vielzahl von «Pop-Up Radwegen». In Frankreich wurden bereits im Frühling mehr als 1000 Kilometer Velowege geschaffen, 210 davon alleine in Paris – auch entlang der Metroverbindungen, um ein Gedränge im ÖV zu vermeiden. In London mussten zahlreiche Autoparkplätze und Autospuren weichen, um für den Radverkehr Platz zu schaffen. In Wien wurden Wohnstrassen zu «Begegnungszonen» umfunktioniert, wo wie bei uns in der Schweiz Fuss-, Velo- und Autoverkehr gleichberechtigt sind. Und Brüssel erklärte kurzerhand die gesamte City zur verkehrsberuhigten Zone. Für Fussgängerinnen und Velofahrer blinkten die Ampeln dort während des Lockdowns immer auf «grün».
Langfristige Pläne lassen hoffen
Obwohl viele dieser Massnahmen nur temporär umgesetzt wurden, haben zahlreiche Städte und Regierungen basierend auf diesen Erfahrungen langfristige Pläne zur Veloförderungen vorgelegt. Die Regierung Englands kündigte an, rund zwei Milliarden Pfund für zusätzliche Fahrrad- und Gehwege investieren zu wollen und auch Spanien, bisher für Veloförderung nicht sehr bekannt, will in den nächsten fünf Jahren in Madrid rund 100 Kilometer neue Velowege errichten. Eine wahre Verkehrsrevolution plant Brüssel: Die Hauptstadt Belgiens machte nicht nur die gesamte City zur verkehrsberuhigten Zone, sondern erklärte, dass ab dem neuen Jahr in der ganzen Stadt nur noch Tempo 30 gelten werde.
Blick in die Schweiz
Auch hierzulande hat die Corona-Krise punkto Veloförderung etwas bewirkt, vor allem in der Westschweiz: In Genf wurden Fahrspuren zu Velowegen umfunktioniert. Lausanne und Vevey sperrten ihre Quais für den Autoverkehr. Überrascht hat die Stadt Lugano, wo mit aktuell 20 Kilometer Velowegen noch Entwicklungspotential bei der Veloinfrastruktur besteht. So wurden nicht nur Parkplätze aufgehoben, um «Pop-up»-Velorouten einzurichten, auch der Fahrradverleih wurde ausgedehnt. Nebst fünf neuen Publibike-Stationen konnten Nutzerinnen und Nutzer dank einer Aktion die Leihräder während vier Wochen kostenlos nutzen. Welche sonstigen Massnahmen Schweizer Städte während des Lockdowns getroffen haben, findet sich hier.
Politische Reaktionen
Nebst den meist provisorischen raumplanerischen Massnahmen, die in der Schweiz umgesetzt wurden, haben die Entwicklungen auch politische Debatten ausgelöst. In Luzern beispielsweise fordert ein Postulat, Veloabstellplätze auszubauen, um den Effekt der Corona-Krise auf den Veloverkehr dauerhaft nutzbar zu machen. In Genf wurden in nur 24 Stunden rund 10’000 Unterschriften für eine Petition gesammelt, die neue Fahrradwege in der Stadt fordert. Und das Zürcher Stimmvolk hat am 27. September 2020 eine Initiative für ein durchgehendes Netz von 50 Kilometern sicheren Velorouten deutlich angenommen. Für das neue Veloweggesetz auf Bundesebene lässt dieser Trend in Richtung resilientere und auch gesundheitsfördernde Veloinfrastruktur hoffen.
Fahrrad als eigenständiges Verkehrsmittel anerkennen
So bedrückend der Anlass ist: Die Corona-Krise hat diesen Frühling punkto Veloförderung ein Umdenken veranlasst. Die Krise hat deutlich gemacht, dass die Städteplanung in Europa und der Schweiz neu zu denken und das Velo als eigenständiges Verkehrsmittel anzuerkennen ist. Städte und auch kleinere Gemeinden können eine passende Verteilung des städtischen Raums erreichen, indem sie einfache und kostengünstige Massnahmen umsetzen:
- Nebenstrassen und Quartierstrassen für den Durchgangsverkehr schliessen und in Velowege oder Begegnungszonen umwandeln
- Parkplätze, die Trottoirs zu sehr einengen, aufheben
- Grössere Fahrspuren in temporäre Radwege umwandeln: Im Video berichten Planer*innen aus Berlin, wie das funktionieren kann.
Best Practices in europäischen Städten: das Projekt InnoRAD
Am internationalen Abschlusssymposium zum Projekt “InnoRAD” des deutschen Fahrradclubs ADFC stellten Bürgermeisterinnen und Behördenvertreter ihre Best Practices persönlich vor.
Die Videos sind abrufbar auf dem Youtube-Channel des ADFC.
Weiterführende Links:
Quellen Bilder:
- Pop-up Radwege Berlin: © Frank Masurat auf qimby.net
- Trafficlight: Bild von WikimediaImages auf Pixabay
- Bike: Bild von Milada Vigerova auf Pixabay